Pflege von Angehörigen
Wenn Angehörige pflegebedürftig werden, dann ist es vielen ein Bedürfnis, selbst aktiv zu werden. Doch die pflegenden Angehörigen erleben dabei auch oft die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Oft fühlen sie sich zu wenig gesehen und wertgeschätzt, und das, obwohl sie vieles für die Pflege aufgeben. Die Erwartungen von außen in Kombination mit der manchmal schwerwiegenden mentalen, körperlichen oder finanziellen Herausforderung kann sich für die Betroffenen zu einer starken psychischen Belastung entwickeln.
Pflegebedürftigkeit in Deutschland
Die Versorgung von Pflegebedürftigen zählt zu den großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit, denn die Anzahl der Pflegebedürftigen nimmt in den kommenden Jahren deutlich zu. Die Bedeutung der Pflege, die Finanzierung, Leistungsausgestaltung und Qualität der Versorgung rückt noch mehr in den Fokus von Politik und Gesellschaft. Laut Pflege-Report, der jährlich über den Stand der Pflegebedürftigkeit und der gesundheitlichen Versorgung der Pflegebedürftigen in Deutschland berichtet, waren zum Ende des Jahres 2020 4,3 Millionen Personen pflegebedürftig, wovon etwa 80 Prozent zu Hause versorgt und gepflegt werden. Mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen sind 80 Jahre und älter. Die Pflegebedürftigkeit zeigt sich aber nicht nur in der älteren Bevölkerung. Fast ein Fünftel der Pflegebedürftigen ist noch keine 60 Jahre alt.
Neben Kindern und Jugendlichen sind dies auch Erwachsene im erwerbstätigen Alter oder Menschen mit speziellen Grunderkrankungen wie beispielsweise frühen Demenzen, Beatmungspflicht oder auch Menschen mit Behinderungen. Vier bis fünf Millionen Personen übernehmen die Pflege eines Angehörigen. Etwa die Hälfte der pflegenden Angehörigen sind dabei selbst noch erwerbstätig. Die Übernahme von Pflege ist meist für alle Beteiligten eine physisch und psychisch belastende Situation. Nicht nur der Organisationsaufwand ist zu Beginn sehr hoch, auch der Eintritt der Pflegebedürftigkeit erfolgt meist plötzlich oder wurde zuvor in der Familie kaum thematisiert.
Was ist bei Gesprächen mit pflegebedürftigen Personen hilfreich?
Das erste Gespräch zu Pflege und der alltäglichen Versorgung mit den eigenen Eltern zu führen, kann herausfordernd sein. Es empfiehlt sich jedoch, dies zu thematisieren, bevor zwangsläufig Entscheidungen für die Angehörigen getroffen werden müssen. Behalten Sie dabei die folgenden Tipps im Hinterkopf:
Über die pflegebedürftigen Eltern oder eigenen Kinder nachdenken, heißt über die eigene Familie nachdenken. Alle Gedanken über die Familie und sich selbst sollten wohlwollend sein. Was ist wichtig in Ihrer Familie? Was macht Sie zufrieden? Was ist der pflegebedürftigen Person wichtig? Und was fürchtet sie möglicherweise zu verlieren?
Es ist zielführend, zuerst kleine Probleme zu lösen und nicht große Themen wie Sterben und Erben zu besprechen. Diese wecken bei den meisten Personen Ängste, besonders, wenn schon Krankheiten oder Konflikte bestehen. Hilfreich sind tröstliche und Sicherheit gebende Erfahrungen. Sie können beispielsweise über die positiven Auswirkungen einer Haushaltshilfe sprechen, wenn die Erledigungen im Haushalt nicht mehr alleine bewältigt werden können. Denn dadurch kann die pflegebedürftige Person länger in den eigenen vier Wänden bleiben. Gehen Sie konkrete Lösungen für ein tatsächliches Problem an.
Es ist nicht förderlich, dieses wichtige Thema am Rande einer Familienfeier ohne stabilen Kontakt zu der pflegebedürftigen Person anzugehen. Wer überfallen wird, geht entweder zur Flucht oder zum Gegenangriff über. Nutzen Sie für die Familie traditionelle und ruhige Gesprächssituationen, bei denen man ins Reden kommen kann. Achten Sie darauf, dass die pflegebedürftige Person sich dem Gespräch bei Bedarf auch entziehen kann, wenn sie noch nicht bereit ist. Das kann zum Beispiel beim Abendessen sein.
Sprechen Sie von sich selbst, anstatt Ratschläge oder Forderungen zu verteilen. Ein Gesprächsbeginn mit „Du Papa, ich mache mir viele Gedanken darüber, wie ich alt werden möchte.“ oder „Ich frage mich, ob du im Haushalt noch gut zurechtkommst.” öffnet sicherlich eher Türen für ein offenes Gespräch als „Du solltest in deinem Alter nicht mehr Auto fahren und den Führerschein lieber abgeben.“. Zeigen Sie, dass Sie Ihrer Verantwortung als Familienmitglied gerecht werden möchten.
Sprechen Sie Ihre Beobachtungen mit konkreten Beispielen an, ohne emotionale Einfärbung und ohne direkte Schlussfolgerungen mitzuliefern. Schilden Sie Ihre Beobachtungen und bleiben Sie offen für die Sicht der pflegebedürftigen Person. Fragen Sie beispielsweise nach, woran die Veränderungen aus Sicht des Betroffenen liegen könnten und ob Hilfe gewünscht ist.
Veränderungen brauchen Zeit. Lassen Sie der pflegebedürftigen Person diese Zeit, um sich mit den eigenen physischen und psychischen Veränderungen auseinanderzusetzen. Gerade der Pflegeeintritt ist oft mit Rollenverlusten und Trauer verbunden. Machen Sie kleine Schritte und freuen Sie sich über kleine Erfolge.
Versuchen Sie, nicht nur Ihre eigenen Ideen zu sehen, sondern auch die Überlegungen der pflegebedürftigen Person einzubeziehen. Vielleicht haben pflegebedürftige Eltern andere Sorgen und sehen bei einer vermeintlichen Lösung ganz andere Hindernisse. Bei einer Diskussion um einen Umzug ins Seniorenheim, könnten diese sich beispielsweise davor fürchten, nicht mehr Gastgeber sein zu können oder nicht mehr alle Enkelkinder empfangen zu können. Finden Sie gemeinsame Ideen und Wege.
Manchmal findet man keine Lösung, weil (noch) keine Veränderung gewollt ist. Denken Sie zurück an die Zeit, in der es andersherum war. Als beispielsweise Ihre Eltern Ihr Verhalten akzeptieren mussten: Ihren Job, Ihre/n Lebenspartner*in, Ihre Reisen. Kommunizieren Sie verständnisvoll, dass Sie die Entscheidung der pflegebedürftigen Person akzeptieren, aber offen für ein weiteres Gespräch sind zum Beispiel mit den Worten: „Ich habe verstanden, dass du das jetzt nicht ändern möchtest. Ich bin weiter besorgt, aber ich akzeptiere deine Entscheidung. Sag mir gern Bescheid, wenn sich bei dir etwas ändert."