Trauer und Verlust
Es gehört zum Leben dazu, geliebte Menschen zu verlieren und um sie zu trauern. Trauer ist eine natürliche Reaktion und ein wichtiger Schritt beim Abschiednehmen. Der Tod einer nahestehenden Person ist sicherlich eines der schwersten Ereignisse, die es zu bewältigen gilt. Doch Trauer ist nicht nur auf den Tod beschränkt. Trauergefühle können auch bei anderen Verlusten wie beispielweise dem Scheitern einer Beziehung, einer Kündigung, Fluchterfahrungen, materiellem Verlust durch Naturkatastrophen oder bei der Begleitung einer Demenzerkrankung auftreten.
Der Umgang mit Trauer
Trauer und Verlust sind sensible Themen und gesellschaftlich immer noch tabuisiert. Viele Menschen versuchen daher, ihre Trauer nicht offen zu zeigen. Grund dafür ist oft, dass eine große Unsicherheit in der Familie, im Freundeskreis und auch im Arbeitsumfeld herrscht, wie man Personen in ihrer Trauer ansprechen und unterstützen kann. Dem individuellen Trauerprozess sollte der notwendige Raum und ausreichend Zeit gegeben werden, denn jeder Mensch trauert anders. Wenn eine Person trauert oder einen Verlust erleidet, befindet sie sich zunächst in einem Schockzustand. Das Stammhirn, der älteste Teil des Gehirns, reagiert in dieser Phase mit einem Urverhalten wie Flucht, Erstarren oder Aggression. Im weiteren Trauerprozess können sich Reaktionen und Symptome wie Unruhe, Schlaf- und Appetitlosigkeit, gefühlte Leere, Antriebslosigkeit, Wut, schlechtes Zeitgefühl oder Gedankenkreisen entwickeln. Auch Ablenkung ist eine mögliche Strategie. Es gibt aber auch Menschen, die aus ihrer Verlusterfahrung Kraft schöpfen können.
Der Weg durch die Trauer
Wer mit einem Verlust konfrontiert wird, durchläuft einen emotional belastenden Prozess. In diesem Prozess werden diverse Gefühle wie Angst, Wut, Einsamkeit, Hilflosigkeit, Verzweiflung oder auch Überforderung erlebt. Bis der Verlust im Leben integriert ist, braucht es Zeit. Der Weg durch die Trauer ist individuell verschieden. Die Trauer kann in Phasen ablaufen, in Schüben oder in Wellen, die die trauernde Person einholen.
Die trauernde Person wird meist von einer ersten Schockstarre ergriffen. In diesem seelischen Schockzustand können Hilflosigkeit, Ausgeliefertsein, Unglaube, Gefühle der Überforderung und Betäubung auftreten. Der Schock kann unmittelbar oder später auftreten und auch wiederkehrend sein.
Wenn der Schock überwunden scheint, kommt es meist zu Widerstand und der Verlust wird verleugnet. Die trauernde Person will den Verlust nicht wahrhaben und Wut, Vorwürfe, Schuldzuweisungen an sich selbst, Ärzt*innen, Familie, Freund*innen oder gegenüber Arbeitskolleg*innen sind möglich. Diese intensiven Gefühle sind oft notwendig, um in die Selbststeuerung zurückzufinden.
Es folgt die rationale Einsicht, dass der Verlust tatsächlich eingetreten ist. Verzweiflung und Frustration begleiten die trauernde Person dabei oft weiterhin auf dem Weg, sich auf die neue Realität einzustellen.
Nach der rationalen Einsicht folgt die emotionale Einsicht, die auch als „Tal der Tränen“ bezeichnet wird. Diese kann immer wieder in Schüben durchschritten werden. Vor allem in dieser Phase sollte der Trauer Raum gegeben und den Gefühlen freien Lauf gelassen werden. Mit der emotionalen Einsicht können viele Momente mit Tränen und Abschiedsritualen folgen.
Der Verlust wird an diesem Punkt akzeptiert. Für die Verarbeitung des Geschehenen und den Abschied von der geliebten Person ist dies ein wichtiger Wendepunkt. Ein gedankliches „Es ist ok.“ hilft dabei, Schuldzuweisungen zu reduzieren.
Nach der Akzeptanz entsteht die Neugier, sich wieder zu öffnen und etwas Neues auszuprobieren. Das Interesse an anderen Menschen und Aktivitäten kommt zurück. Es werden erste Momente der Freude und Hoffnung erlebt. Die Erinnerung an den Verlust löst nicht mehr pure Traurigkeit aus. Auch das Gefühl, gestärkt aus dieser Erfahrung herauszugehen und etwas gelernt zu haben, wird wahrgenommen.
Die trauernde Person findet zu ihrem Selbstvertrauen zurück und kann mit der neuen Situation ohne Widerstand und Angst umgehen. Der Verlust ist integriert und ein Teil des eigenen Lebens.